Plattenkritik: Twin Color – Extended Play No. 2 (Infiné)The Lost Future
28.9.2025 • Sounds – Text: Jan-Peter Wulf
Mit dieser EP liefert Fernando Corona eine so kalte wie melancholisch stimmende Coda zum Album des Vorjahres.
Man kann schon etwas durcheinander geraten bei diesen Betitelungen: 2022 releaste Murcof eine EP unter dem Namen „Twin Color – Extended Play No. 1“, 2024 ein Album namens „Twin Color – Vol. 1“, und nun, Ende August war es, noch eine EP mit dem Titel „Twin Color – Extended Play No. 1“. Aber natürlich macht es am Ende Sinn, denn alle drei Veröffentlichungen weisen eine klare Konsistenz auf und bilden innerhalb des Werks des Mexikaners eine Binnendifferenz: Angelehnt an die epochale Synth-Kunst eines Vangelis, Angelo Badalamenti oder John Carpenter, taucht Corona erneut mit uns ab in retro-futuristische Klangwelten, die also in eine Zukunft weisen, die sich nur noch aus der Vergangenheit heraus erahnen und erblicken lässt. Denn seitdem diese Art der Musik ihre ganz große Zeit hatte, wir sprechen von einer Zeit, in der Twix wirklich noch Raider hieß, Kids versuchten, die Gimmicks aus ihren Yps-Heften zum Laufen zu bringen und im Kino die verlassenen Gleise von „Stand By Me“ zu sehen waren, die heute in „Stranger Things“ rezitiert werden, seitdem ist viel Gegenwart passiert, die diese Zukunft der Vergangenheit ganz gut geschrottet hat. Andererseits: Leben wir nicht längst in einer Blade-Runner- und Escape-From-New-York-Welt und haben es nur noch nicht begriffen.
Die stählerne Kälte, auf der Murcof seine manchmal fast kitschigen Melodien und Klänge ausbreitet, ist jedenfalls nicht weniger deutlich als in der ersten und im Album. Motive aus den vorherigen Veröffentlichungen werden wieder aufgegriffen und weitergesponnen, auch die sirenenhaft umgemodelte Stimme seiner Tochter erklingt erneut. Entstanden sind die Stücke bereits, im Kontext mit den anderen, vor fünf Jahren. Der Opener „The Fall“ war damals als Soundtrack für ein letztlich nie realisiertes Scifi-Game vorgesehen gewesen. Murcof plant anscheinend, die Reihe „Twin Color“ fortzusetzen – ob er noch mehr Material aus der Pandemiephase in petto hat oder sich erneut in Synthscapes alter Zeiten hineinversetzt, wir werden es hören.