Plattenkritik: Wet Leg – Moisturizer (Domino)The stage is yours
19.7.2025 • Sounds – Text: Jan-Peter Wulf
Manche Alben sind vor allem verkaufsfördernde Instrumente zur Steigerung des Ticketverkaufs. „Moisturizer“ gehört definitiv dazu, findet Jan-Peter Wulf.
Eine der musikalischen Entdeckungen der letzten Zeit für mich ist die Chemnitzer Band Blond. Ja, lacht ruhig, ich kannte sie bis Anfang des Jahres halt nicht. Nach dem Durchhören unter anderem der neuen Platte stand schnell für mich fest, dass ich die Musik zum Streamen (was für eine ungewollte Abwertung in diesem Wort doch liegt) ganz nett finde, die Kapelle aber vor allem live sehen will.
Bei „Moisturizer“ geht es mir ganz ähnlich: Ein Album, das mich mit seinem durchgängigen Schwung an die Hand nimmt, das gute Laune macht, aus dem die der Band zugeschriebene Schrägheit (auch eine Parallele zu Blond) durchschimmert, aber mir spätestens bei den kraftvollen Gitarrenriff-Ausbrüchen, zu denen es immer wieder kommt, letztlich attestiert: You prick, wenn du wirklich verstehen willst, was hier Phase ist, geh aufs Konzert. Von wem? Von Wet Leg, der fünfköpfigen Band hinter diesem Album, dem zweiten.
Seit dem ersten, das auch „Wet Leg“ heißt und dessen Single „Chaise Longue“ weltweite Bekanntheit einbrachte, steht sie ständig auf Bühnen, das nächste Mal nach Deutschland kommen sie im November. The Breeders, Tegan and Sara, Phoenix (besonders bei „Pokemon“ und „Davina McCall“), die musikalischen Referenzen sind facettenreich. Zwei Brit Awards und drei Grammys hat das Quintett um Rhian Teasdale und Hester Chambers von der schönen Isle of Wight bereits einsammeln können, ich gehe davon aus, dass sich das mit „Moisturizer“ fortsetzen wird. Wet Leg haben einfach alles, was der Musikfeuilleton liebt – Understatement vs. Größenwahn (siehe Bühnenperformances), Skurrilität vs. Souveränität und last but not least einen richtig guten Sound auf dem Spagat zwischen zugänglich und sperrig, einfühlsam und schroff wegschubsend. Bei „Catch These Fists“ sieht man die ersten Reihen durchdrehen, bei „11:21“ schwelgen, bei „Mangetout“ mitgrölen: „You think I'm pretty, you think I'm pretty cool, You wanna fuck me, I know, most people do“, schon klar. Immer wieder ist es gut zu hören, dass Musik mitunter nur in zweiter Linie für die Konserve komponiert wurde und in erster Linie auf die Bühne gehört.