Plattenkritik: Monolake – StudioDer neue Kanon der elektronischen Musik

Plattenkritik Monolake Studio Banner

Nach längerer Pause meldet sich Robert Henke aka Monolake mit einem neuen Album zurück. „Studio“ ist ein Schwamm, der Jahrzehnte elektronischer Klangforschung für den Dancefloor optimiert. Das war schon immer die Idee von Monolake, der Ansatz aber nie dringlicher und wichtiger als heute.

In der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre waren Monolake-Platten Monolithen. In Klang gemeißelte Wegweiser gen Zukunft, angemessen platziert im Oeuvre von Chain Reaction, dem Berliner Label aus dem Hardwax-Umfeld für neue Ideen und Künstler (nur Männer, ja). Mit „Cyan“, „Magenta“ und „Lantau“ legten Robert Henke und Gerhard Behles Musik vor, die dem verdubbten Berliner Nischen-Kosmos eine vollkommen neue Komponente hinzufügten – die bis zu Ende gedachte Weite. Was sich für Geschichten im Nachhall einer Hallfahne entwickeln können, hatten Mark Ernestus und Moritz von Oswald mit Basic Channel und Maurizio schon vorgemacht und durchgespielt. Henke und Behles tauschten die Roughness des Moments mit der Eleganz des Geplanten. Das war keine Hollywood-isierung des Technos, sondern vielmehr die konsequente Weiterentwicklung einer Idee, die, als sie entstand, noch gar nicht ausformuliert war, und genau deshalb so unfassbare Traktion entwickeln konnte. Behles gründete Ableton, Henke machte mit, entschied sich aber, parallel weiterhin als Monolake Musik zu machen. 25 Jahre später hat sich an Henkes Haltung rein gar nichts geändert. Und doch ist „Studio“ ein wichtiges Lebenszeichen, das genau zur richtigen Zeit veröffentlicht wird.

Bei Monolake ging es immer um Klang. Um Klanglandschaften, das Zusammenspiel von Beats, Chords, angetäuschten Melodien, der vollumfänglichen Umarmung der Vergangenheit, wohlig eingepackt für die Reise in die Zukunft. Bei Monolake ging es auch immer darum, den technischen Fortschritt und die damit einhergehende Klangforschung nie so klingen zu lassen, als befände man sich inmitten einer akademischen Arbeit, einem sperrigen Konstrukt. Monolake abstrahiert die konstante Forschung und kanalisiert die Ergebnisse wie mit einer Infusionsspritze auf einen Dancefloor, auf dem Jarre, Schulze, Hütter, Banks, Atkins, Gore und Moroder ihre Taschen auf die Tanzfläche gestellt haben, sich an den Händen halten und auf den Kick warten.

„Studio“ klingt, als wolle sich Robert Henke freistrampeln. Nach Jahren der intensiven Auseinandersetzung mit spezifischen Instrumenten und Computern für groß angelegte klangkonzeptuelle Projekte, Installationen und Performances in konzertanten Umgebungen entfalten die zehn Stücke auf „Studio“ schon ab der ersten Sekunde eine Dringlichkeit, die ich mir von Henke seit Jahren gewünscht hatte. Denn der Dancefloor braucht „revered personalities“, die die aktuelle Egalheit und „Experimentierfreudigkeit“ mit sonischen Ansagen begegnet, herausfordert, das Erbe der Musik mit ins Spiel bringt und weiterdenken kann und bei 0dB, der heischerischen Erfüllung falscher Träume und Erwartungen, nicht Schluss macht, sondern im Gegenteil erst anfängt zu zucken. Zwischen selbst geschaffenen Trademarks, kanonischen Referenzen und der schieren Kraft des Eigenen katapultiert „Studio“ die Idee des Techno und der elektronischen Musik auf einen von den Elementen unerreichbaren Felsen. Die Stücke oszillieren, drehen ihre Kreise, interagieren mit den Elementen. Zwischen Hall, 4/4, schwelgerischen Akkorden und genau der Portion Verweigerungshaltung, die Techno immer so besonders verführerisch gemacht hat, mittlerweile aber so gut wie vergessen ist, brennt „Studio“ mit Schallwellen ein Loch in das Sonnensegel unserer Unaufmerksamkeit. Danke dafür.

Plattenkritik: Nala Sinephro – Endlessness (Warp)Einmal zum Ende, das es gar nicht gibt