Plattenkritik: Duster – In Dreams (Numero Group)Ein Meisterstück in Relevanz

Duster In Dreams Cover

Aus dem Nichts erschien das neue Album der Band Duster. Die Kalifornier zeigen, wie man auch nach fast 30 Jahren Bandhistorie wichtig, frisch und relevant bleibt, ohne die eiskalten Regeln des Musikbusiness des 21. Jahrhunderts auch nur ansatzweise bedienen zu müssen.

Die große musikalische News war letzte Woche wohl die Reunion von Oasis, die nächstes Jahr wieder gemeinsam live spielen wollen und dabei mächtig viel Geld machen werden. Die Birmingham City University schätzt, dass die Gallagher-Brüder jeweils um die 60 Mio. Euro mit 14 Konzerten verdienen könnten. Das letzte Album ist 16 Jahre her und neues Material will bei dieser Tour wohl auch keiner hören. Die viel größere und überraschendere News ist aber eigentlich das neue Album „In Dreams“ der kalifornischen Slowcore-Pioniere Duster, das völlig ohne Vorankündigung nun erschienen ist. Ihr Meisterwerk-Debüt „Stratosphere“ von 1998 ist nicht nur eines der zeitlosesten Alben der Dekade, auch ist es eine Blaupause für vieles im Indie-Rock, was danach kam und heute wieder neu und aktuell resoniert.

Zwischen dem Zweitling „Contemporary Movement“ von 2000 und dem Reunion-Album „Duster“ liegen 19 Jahre. Seitdem ist das einstige Trio bestehend aus Clay Parton, Canaan Dove Amber und Jason Albertine (er verließ 2022 die Band) so produktiv wie nie. Nach „Together“ (2022), „Remote Echoes“ (2023) nun also der dritte Langspieler in drei Jahren und auch bei „In Dreams“ ist nichts zweitrangig oder hingespuckt. Es zelebriert in 13 Songs eleganten Noise, tiefe Emotionen und eine Qualität, die man auch in den Neunzigern kaum zu hören bekam. Duster beweisen, wie man über drei Dekaden Musik macht und als Band funktioniert, ohne zum Fingerpuppentheater zu werden, sondern unterdessen relevant bleibt. Vocals werden dezent aber präzise dosiert. Die Gitarren werden immer wieder mit warmen Rhodes und anderen Synthesizern drapiert. Es ist komplex, ohne nur einmal laut aufzustampfen.

Es ist einfach eine wundersame Welt, die sich hier auftut. Eine, die LoFi bleibt, aber nicht weil es zur Masche gehört, sondern schlichtweg der perfekte Raum dafür bleibt. Andere Bands wie Slowdive haben geekigen Shoegaze im Laufe der Jahre zum Hochglanz-Rock für Volvo-Fahrer werden lassen, was bestimmt großartig ist, aber bei mir dann doch ein Geschmäckle hinterlässt und auch das Alter und eventuell auch deren Abgeklärtheit unterstreicht. „In Dreams“ wirkt verrauscht, bietet aber fantastische Headrooms voller singender Spuren und eine Energie, die mich nicht nur an meine Jugend erinnert, in der ich mich in Musik verliebte. Sie lässt mich auch heute wieder in Musik verlieben, als wäre es der erste Tag und drängt Drake-Kendrick-Beefs, Swift-Mania und kalte Streaming-Algorithmen so weit weg in den Hintergrund, als gebe es so etwas ein perfektes Leben auf einer einsamen Insel, auf der nichts anderes zählt, außer dass es einen am Leben hält und mit Glück erfüllt, auch ohne zig Millionen auf dem Konto, Live Nation, Hypes und Medienspektakel.

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